Sie hätte sich lieber aus einer anderen Wirklichkeit weggeträumt. Die eigene schien ihr zu unbedeutend dafür, ein zu schwaches Argument für eine Flucht. Ein viktorianisches Herrenhaus müsste sie sein, ihre Wirklichkeit, hoch aufragend und streng und schwer und schattig, unüberwindbar und kalt und eine Last und sie ganz verschluckend. Ein hohes Fenster müsste sie haben, ihre Wirklichkeit, mit Verzierungen, die die Fantasie anregten und viel Himmel, der zur Freiheit lockte, in einem versteckten Erker, in dem sie sich verlassen hätte fühlen können. Doch ihre Wirklichkeit war eine andere. Ein flacher Bau, der noch nie bedrohlich gewesen war. Erbaut mit einer Gleichgültigkeit, die noch niemanden erzogen hatte. Mit schmalen Wändchen, die nie jemanden erdrückten, und einem Licht, in dessen Schatten noch niemand verloren gegangen war. Ein kleines Fenster, dessen Rahmen für niemanden eine Inspiration gewesen war oder jemals sein würde, mit dem Blick auf Hauswand statt Himmel, was, nebenbei, farblich gar nicht weiter auffiel, und in einer Küche, in der sie sich niemals würde einsam fühlen müssen. Können. Alles in allem ein zu schwaches Argument für eine Flucht.
Ein zu schwaches Argument für eine zu schwache Flucht. Eine Gesellschaft müsste sie haben, ihre Wirklichkeit, die einer Frau die Freiheit zu gehen gar nicht zugestände. Eine Freundin müsste sie haben, ihre Wirklichkeit, die sich über sie dann das Maul zerriss. Einen Mann müsste sie haben, ihre Wirklichkeit, vor dessen Zorn über ihren Verrat sie um ihr Leben zu fürchten habe. Ein Kind müsste sie haben, ihre Wirklichkeit, das sie mehr liebte als sie sich selbst. Doch die Wirklichkeit war eine andere. Die Wirklichkeit war, dass es so einfach war zu gehen. Die Gesellschaft blieb gleichgültig, die Freundin würde sie mit einer Flasche Wein unterstützen, der Mann hatte zu akzeptieren, und das Kind würde zum ganz und gar selben Erwachsenen geformt, ob nun mit ihrer Liebe oder ohne sie. Sie musste sich nicht fürchten, sie musste sich nicht verstecken. Sie würde nicht verfolgt, nicht von Hunden gehetzt, sie würde nicht verraten und es würde ihr niemand klammheimlich eine Falle stellen. Wer würde ihre Flucht als Flucht begreifen.